Der Sachausschuss Kirche und Arbeiterschaft der Kirchenregionen Aachen-Land und Aachen-Stadt hat sich bei seinem Treffen am 10. Dezember 2019 ausführlich mit der vorliegenden Handlungsempfehlung 3 auseinandergesetzt. Der Arbeitstitel "Christliche Verantwortung in der Welt" beschreibt schließlich die am Gemeinwohl orientierte Zielsetzung der katholischsozialen Bewegung, in deren Tradition stehend sich der Sachausschuss Kirche und Arbeiterschaft versteht. Wir bringen damit zum Ausdruck, dass das Gemeinwohl seinen Wert dadurch gewinnt, dass es der Verwirklichung der menschlichen Güter dient. Denn letztlich ist "der Mensch Träger, Schöpfer und das Ziel aller gesellschaftlichen Einrichtungen".
Den ehrenamtlich Mitwirkenden im Sachausschuss geht es im Einsatz für Menschenwürde und Menschenrechte darum, das Gemeinwohl und unsere Demokratie nach christlichen Grundsätzen und den geltenden Menschenrechten mitzugestalten. Aus dieser Orientierung am Gemeinwohl leitet sich zugleich - wie Papst Franziskus es vielfach deutlich und klar anmahnt - ein politisches Engagement aller Christinnen und Christen für die Beseitigung struktureller Benachteiligungen und die Sicherung der geltenden Menschenrechte ab. Kirchliches Handeln ergänzt der Nächstenliebe folgend dieses Engagement immer durch soziale Einrichtungen der Hilfe und Selbsthilfe für Benachteiligte, um den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.
Auf Grundlage dieser Orientierung hat sich der Sachausschuss mit der vorliegenden Handlungsempfehlung beschäftigt und einige Anregungen und grundsätzliche Anmerkungen beschrieben.
Für die Mitglieder des Sachausschusses ist nicht verständlich und enttäuschend zugleich, warum wesentliche Träger des pastoralen Schwerpunktes - insbesondere die KAB, Kolping oder die CAJ - nicht benannt wurden. Es sind schließlich diese Verbände, die "christliche Verantwortung in der Welt" als Kern ihres Auftrages verstehen und praktizieren.
Wir verstehen nicht, warum einzig die verbandliche Caritas hier Erwähnung findet.
Mitgeltend betonen wir auch das soziale und politische Engagement vieler engagierter Laien in den Räten, ohne die ein optionales kirchliches Engagement in der Flüchtlingsarbeit - als ein Beispiel neben sehr vielen anderen - nicht möglich wäre und ist und die der Kirche mit ihrem Engagement in den Regionen und Städten des Bistums ein Gesicht geben.
Es sei noch bemerkt, dass es gerade diese tief in unserer Kirche verwurzelten Laien sind, die im gesellschaftlichen Dialog und mitten in der Welt "in Rechenschaft genommen werden" für die aktuelle Verfasstheit der Kirche. Nur wenig können wir denen entgegnen, die einen stillen Abschied von der Kirche nehmen wollen.
SEHEN: "Wir wollen reden" hieß es in den vergangenen Monaten auch für viele Mitglieder des Sachausschusses im Heute-bei-Dir-Prozess. Nicht erwähnt ist die im laufenden Prozess bereits beschriebene gute Praxis im pastoralen Schwerpunkt, die es unbedingt fortzuschreiben gilt.
URTEILEN: „Wir wollen uns verändern“ muss ergänzt werden durch die Frage „Was gilt es zu bestärken?“ In den Verbänden und Räten sind Prozesse alltägliche Praxis, die kirchliche und gesellschaftliche Veränderungen bereits einbeziehen und der Kirche ein Gesicht geben.
HANDELN: Diese vielfältigen und verantwortlich gestalteten Prozesse gilt es durch unsere Kirchenleitung subsidiär zu stärken und dabei auf den "Spürsinn des Volkes Gottes zu vertrauen".
Als regionale Akteure im Aachener Sachausschuss Kirche und Arbeiterschaft haben wir viele gesellschaftliche Themen im Blick: die Digitalisierung in der Arbeitswelt, die Prekarisierung der Arbeit, die wachsende Altersarmut, der anwachsende Rassismus, die "Verrohung" des menschlichen Umgangs, der Klimawandel, die Migration etc.
Konkret am Herzen liegt uns als Sachausschuss jedoch die Arbeit für und mit arbeitslosen Menschen. Diese Menschen gilt es in den Mittelpunkt kirchlichen Handelns zu stellen und dieses Engagement - so lautet unsere Empfehlung - als vorrangige und deutlich sichtbare Option des Bistums Aachen zu beschreiben.
Papst Franziskus teilt uns in seinem Schreiben "An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland" im Juni letzten Jahres seine Sorge mit: "Ich erinnere daran, was ich anlässlich der Begegnung mit euren Oberhirten im Jahre 2015 sagte, dass nämlich eine der ersten und größten Versuchungen im kirchlichen Bereich darin bestehe zu glauben, dass die Lösungen der derzeitigen und zukünftigen Probleme ausschließlich auf dem Wege der Reform von Strukturen, Organisationen und Verwaltung zu erreichen sei, dass diese aber schlussendlich in keiner Weise die vitalen Punkte berühren, die eigentlich der Aufmerksamkeit bedürfen."
Diese Sorge verbinden wir mit den vorliegenden Handlungsempfehlungen, die allein auf der Systematik innerkirchlicher Meinungsbildung basieren und innerkirchliche Fragestellungen in den Vordergrund rücken. In der Prozesslandschaft sind ausserkirchliche Akteure systematisch nicht eingebunden bzw. vorgesehen - eine vergebene Chance für ein kontinuierliches aggiornamento.
Zwangsläufig ergibt sich daraus, dass in der Handlungsperspektive 3 der kirchliche Zugang zu den Menschen individualisiert beschrieben wird. Nicht erwähnt sind die kollektiven Lebens-Zusammenhänge insbesondere benachteiligter Menschen z.B. in Betrieben, Quartiere, Stadtteilen oder zivilgesellschaftlichen Organisationen. Diese Menschen, "die Jesus nicht kennen" oder uns gar ablehnen, werden den Weg zu uns nicht mehr finden.
Unsere Erfahrungen als Mitglieder des Sachausschusses lauten dagegen, die Übernahme christlicher Verantwortung in der Welt nur im engen Austausch mit Gewerkschaften, Betriebsräten,
Sozial- und Wohlfahrtverbänden und zivilgesellschaftlichen Gruppen zu ermöglichen. Nur in der Zusammenarbeit mit diesen Akteuren lassen sich "Antworten auf die aktuellen Herausforderungen" (Einleitung Handlungsperspektive 3) finden.
Exemplarisch steht dafür für uns als Sachausschuss die in der Handlungsempfehlung benannte "Diskussion um den Braunkohletagebau".
Als Christinnen und Christen verstehen wir unsere vitale Aufgabe darin, prophetische Kritik an Missständen und strukturellen Benachteiligungen zu üben, die ein gutes Leben für alle Menschen verhindern und Menschen von der Freude des Evangeliums ausschließen. Evangelisierung baut auf eine "Praxis der Hoffnung" und Orte der Seelsorge in kirchlichen Projekten und Initiativen auf, die die Seligpreisungen zum Kern ihres Wirkens machen. Evangelisierung ist eine aktive Kirche, die in die "Städte und die Wirkstätten der Menschen an den Rändern" geht, um, von der frohen Botschaft getragen, zu verkünden, dass ein gutes Leben für alle Menschen möglich ist. Jetzt in der vorweihnachtlichen Zeit erinnern wir uns des Magnificats oder an die Botschaft der Hirten am Stall von Bethlehem.
Das verstehen wir als christliche Verantwortung und "vitale Aufgabe, auf die wir unsere Aufmerksamkeit richten sollten".
Alle Christen, auch die Hirten, sind berufen, sich um den Aufbau einer gerechten Welt zu kümmern. (EG 183)
Für die Handlungsperspektive „Christliche Verantwortung in der Welt“ braucht es ein stimmiges Personalkonzept zur Umsetzung und Sicherung des 1980 im Bistum Aachen verankerten pastoralen Schwerpunktes. Bereits im Synodenbeschluss Kirche und Arbeiterschaft sind Empfehlungen beschrieben, auf die wir gerne zurückgreifen.
Sicherlich bedarf der benannte Synodenbeschluss im Kern seiner inhaltlichen Ausführungen einer Neu- bzw Fortschreibung. (Gerne verweisen wir hier auf das gemeinsame Sozialwort der Kirchen aus dem Jahr 1997).
Die im Beschluss benannten Empfehlungen zur Unterstützung der Träger des pastoralen Schwerpunktes dagegen lassen sich auch heute nahtlos übernehmen.
Deshalb dürfen Glauben und Leben, Verkündigung und Praxis der Kirche sowohl
im eigenen Verhalten der Kirche wie in ihrer Botschaft nicht auseinandertreten.
Die Christen können nicht das Brot am Tisch des Herrn teilen, ohne auch das
tägliche Brot zu teilen. Ein weltloses Heil könnte nur eine heillose Welt
zur Folge haben. Der Einsatz für Menschenwürde und Menschenrechte,
für Gerechtigkeit und Solidarität ist für die Kirche konstitutiv und eine
Verpflichtung, die ihr aus ihrem Glauben an Gottes Solidarität mit den
Menschen und aus ihrer Sendung, Zeichen und Werkzeug der Einheit und
des Friedens in der Welt zu sein, erwächst.
(Sozialwort der Kirche, 101)