„Flucht ist kein Verbrechen - Flucht ist ein Menschenrecht“

Ökumenische Flüchtlingsplattform in der Euregio – Maas-Rhein (B/D/NL)

appell-flüchtlingsplattform (c) Ökumenische Flüchtlingsplattform in der Euregio Maas-Rhein (B/D/NL)
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Datum:
Di. 17. Mai 2016
Von:
Diözesanrat
Appell zur Flüchtlings- und Asylpolitik der Euregionalen ökumenischen Flüchtlingsplattform, der auch der Diözesanrat der Katholiken im Bistum Aachen angehört.

Aus Anlass der Veröffentlichung wird am 03. Juni 2016 um 18.00 Uhr ein ökumenisches Friedensgebet in der Kirche St. Peter, Peterskirchhof 1, 52062 Aachen stattfinden, zu dem wir herzlich einladen.

„Flucht ist kein Verbrechen - Flucht ist ein Menschenrecht"

lautete der Titel, unter dem die ökumenische Flüchtlingsplattform im Februar 2014 eine Resolution veröffentlicht hatte. Diese hat - unterstützt durch die katholischen und protestantischen Kirchen in der Euregio - über den kirchlichen Bereich hinaus vielfache Beachtung erfahren.

Fast zwei Jahre später müssen wir feststellen, dass unsere eindringlichen Forderungen an europäische PolitikerInnen und Institutionen, endlich eine menschliche, von christlichen Werten getragene Flüchtlingspolitik umzusetzen, nicht annähernd erfüllt worden sind. Im Gegenteil: Die gegenwärtige Lage ist von noch mehr Abwehr gegenüber Flüchtlingen geprägt, von Strategien der Abschottung, begleitet von parteipolitischen Grabenkämpfen einerseits, von oft völliger Überforderung und Hilflosigkeit der verantwortlichen Institutionen
andererseits. Die Situation für Flüchtlinge hat sich nicht nur noch einmal dramatisch verschlechtert, sondern sie hat sich auch grundlegend gewandelt. Das Flüchtlingsdrama vor und an den Toren der Europäischen Union findet täglich seine Fortsetzung und es hat sich zugleich ausgedehnt auf die Fluchtwege durch Europa. Menschenunwürdige Situationen erleben wir nicht mehr nur in den Krisenherden des Nahen Ostens oder bei den unversorgten Flüchtlingen, die in der Türkei auf der Straße leben, sondern auch in Griechenland oder mitten in Europa entlang der Balkan-Route(n).

Wir sehen einen der wichtigsten Gründe für diese Defizite der europäischen Flüchtlingspolitik in der Gleichgültigkeit, auf die Flüchtende, ihre Motive, ihr Elend und ihre Verzweiflung in den letzten Jahrzehnten gestoßen sind und die Zehntausende von ihnen das Leben gekostet hat: Sie sind im Mittelmeer ertrunken, in der Wüste verdurstet, haben sich an Zäunen ihre Körper zerrissen oder sind - wie z.B. in Nordafrika - von Sicherheitskräften ermordet worden. Europäische PolitikerInnen haben diesem Sterben an den Außengrenzen des Kontinents weder Einhalt geboten noch Verantwortung übernommen. Wir stellen folgerichtig fest:

Die Länder der Europäischen Gemeinschaft setzen Flüchtlinge durch massive Einschnitte in das Flüchtlingsrecht immer größeren Gefahren aus.

In klarem Widerspruch zu dieser politischen Haltung und ihren Folgen erleben wir eine gewaltige Bereitschaft, Flüchtlinge willkommen zu heißen. Die vielen Ehrenamtlichen setzen ein Zeichen gegen sich verstärkende Feindbilder, Fremdenhass und Rassismus. Diese Menschen, Gemeinden und Gruppen leisten einen wirksamen Dienst der „Entfeindung", indem sie Asyl und Flucht positiv im Sinne der Menschenwürde und der Menschenrechte werten. Angesichts der derzeitigen Verschärfungen des Asylrechts und der wieder verstärkten Fokussierung auf Abschottung von und Begrenzung der Flüchtlingsbewegungen nach Europa ist das Eintreten für das Asylrecht und die humanitäre Aufnahme von Flüchtlingen dringend erforderlich.
Unzählige Frauen und Männer setzen sich ehrenamtlich dafür ein, den Ankommenden ihren Aufenthalt so erträglich wie möglich zu gestalten. Gemeinsam mit ihnen stellen die Mitglieder der Euregionalen Flüchtlingsplattorm mit Nachdruck fest:

Flüchtlinge sind nicht gefährlich, sondern sie sind gefährdet. Sie fliehen vor Gewalt, Hunger und Hoffnungslosigkeit und suchen bei uns Hilfe und Schutz.

Wir wissen um ihre Not und die Bedingungen, die sie in die Flucht treiben, und wir wissen, dass niemand behaupten kann, ihre Gründe nicht zu kennen. Wir stellen deshalb fest:

Flüchtlinge sind gleich doppelt gefährdet, durch die Lebensbedingungen in ihren Herkunftsländern und durch die politischen Maßnahmen der Ab- und Ausgrenzung.

Dieser zweifachen Gefährdung muss politisch entgegengewirkt werden:

1. Bekämpfung der Fluchtursachen in den Herkunftsländern

Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass Armut und unerträgliche Lebensumstände Millionen Menschen zwingen, ihre Heimat zu verlassen, wenn sie überleben wollen. Ernsthafte Bemühungen zur Veränderung dieser Umstände sind jedoch kaum erfolgt und auch gegenwärtig schwer zu erkennen.

Im Gegenteil:

  • Die Ausbeutung der armen durch die reichen Länder geht ungebremst weiter;
  • ungerechte Handelsabkommen nehmen vielen ohnehin armen Ländern die Chance, ihre Menschen zu ernähren, weil sie faire Preise für Produkte verhindern;
  • Billigimporte, zu denen diese Länder genötigt werden, zerstören die lokalen Märkte;
  • Hungerlöhne und krankmachende Arbeitsbedingungen verschärfen die Ausbeutung der Bevölkerung;
  • Landraub durch multinationale Konzerne und finanzstarke Investoren vertreibt weltweit immer mehr Menschen von ihrem Grund und Boden;
  • die Unterstützung menschenverachtender Regime und ihrer korrupten Handlanger durch die deutsche und europäische Politik verhindert jede Veränderung zugunsten der Bevölkerung;
  • eine materielle Grundversorgung mit Wasser, Nahrung, Bildung, Gesundheit, also die Sicherung der fundamentalsten Existenzgrundlagen wird systematisch verhindert;
  • die Folgen der Klimakatastrophe treffen die ohnehin leidenden, hungernden und durstenden Menschen in einem noch weitaus folgenschwereren Ausmaß als uns Europäer;
  • der Kampf um die zur Neigung gehenden Ressourcen auf dem Globus nimmt immer brutalere Formen an, zuungunsten der ohnehin Benachteiligten, ihre Heimat wird immer unbewohnbarer und zwingt sie zur Flucht;
  • insbesondere die deutschen Waffenexporte in alle Welt tragen zu Gewalt und Terror entscheidend bei;
  • die Beteiligung nationalstaatlicher Armeen wie der Bundeswehr bzw. der Nato an immer mehr kriegerischen Einsätzen in der Welt ist mitverantwortlich für die  katastrophalen Zustände in Syrien, Afghanistan und im Irak und für ungezählte Opfer insbesondere unter der Zivilbevölkerung.

Diese und eine Reihe anderer existenziell unerträglicher Zustände führen als unbestreitbare Fluchtursachen dazu, dass Millionen Menschen in Afrika, in Asien, im Nahen Osten, in Süd- und Mittelamerika unter körperlicher und seelischer Gewalt, unter Hunger und Entbehrung, unter Hoffnungslosigkeit, Angst und Traumatisierung leiden. Sie zwingen diese Menschen, in vermeintlich sichere Weltgegenden zu fliehen, vor allem nach Europa, nach Deutschland.

Deshalb appellieren wir an alle deutschen und europäischen PolitikerInnen:

Wenn Sie Ihre Bekundungen, die Fluchtursachen zu bekämpfen, damit die Menschen keinen Grund mehr haben, nach Europa zu fliehen, ernst meinen, setzen Sie alles daran, diese Fluchtursachen mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln abzustellen. Beteiligen Sie sich an einer Großen Transformation hin zu einer klimaverträglichen und sozialgerechten Gesellschaft.

Ökumenische Flüchtlingsplattform in der Euregio Maas-Rhein (B/D/NL)

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